Basteln, Recycling und Wertschätzung

Basteln, Recycling und Wertschätzung

Da wir im Wohnzimmer nun Parkett statt Teppich haben, musste ich mir überlegen, wie ich das am einfachsten sauber halte. Staubsauger kommt ja eher nicht mehr infrage und ein einfacher Besen - der wirbelt irgendwie immer mehr Staub auf, als dass er kehrt.

Ich hab also immer wieder überlegt und getüftelt und rumprobiert, über einige Wochen hinweg. Dass es der Wischer sein wird, war schnell klar: Erstens habe ich den bereits, zweitens wird damit dank der Gelenkführung der Staub eben nicht aufgewirbelt, sondern schön zusammengekehrt. Der “Wischlappen”, der dabei war, hat schon mal nicht soo schlecht funktioniert (auf dem Trocknen - mir gehts ja vorrangig ums Rauskehren), aber wirklich gut ist anders. Ich hab einige Materialien durchprobiert, bis ich die Idee hatte: Tshirt-“Garn”!

Alte Tshirts in schmale Schlangen schneiden und daraus Vorleger häkeln, das mach ich schon lange. Die erste Generation dieser Recycling-Teppiche hat ihre Dienste mittlerweile getan und fängt an, sich aufzulösen. Was vor allem daran liegt, dass ich anfänglich sehr sehr schmal geschnitten habe. Genau das brauche ich jetzt für die Fransen an meinem “neuen” Kehrgerät! Während ich also unzählige Fransen geschnitten und geknüpft habe, hatte ich viel Zeit, meine Gedanken schweifen zu lassen.

“Basteln” im weitesten Sinne war für mich schon immer untrennbar mit Recycling verbunden, auch wenn ich den Begriff damals noch nicht kannte. “Aus dem, was da ist, etwas (Neues/Anderes) machen” - so hätte ich es als Kind wohl formuliert und das ist heute mehr denn je ein wichtiger Punkt, finde ich.

Ganz furchtbar sind Fertigpackungen. Egal ob Wolle + Stricknadeln + Anleitung im Set. Oder ein Bastelset mit vorgefertigten Teilen, die nur noch bemalt oder zusammengeklebt werden müssen. Das hat alles irgendwie etwas von Tütensuppen: Man wird schon satt davon - aber eine ordentliche Mahlzeit ist halt ganz was anderes.

Genauso bescheuert finde ich auch, dass die Industrie so schnell auf Trends aufspringt. Kaum wurde die Idee des Tshirts-Schneidens ein bisschen gehyped, schon standen die “Stoffgarne” in den Läden. Liebe Industrie: Außer Kohlemachen habt ihr nix kapiert! Es geht doch darum, Dinge zu verwenden, die bereits da sind. In diesem Fall muss einiges an Vorarbeit geleistet werden. Die “Abfälle” (Nähte, Säume), die hier entstehen, lassen mein Bodenkissen weiter anwachsen. Das fertige “Garn” ist ein bisschen ungleichmäßig, selbstverständlich, weil es Handarbeit ist! Und wenn ich - gerade jetzt in diesen megaheißen Sommertagen - aus der Dusche auf einen meiner gehäkelten Vorleger steige, “sehe” ich das darin verarbeitete Minikleidchen, das ich vor Jahrzehnten im Spanien-Urlaub erworben hatte, wo es ähnlich heiß war, wie jetzt gerade. Das kann das perfekteste Industrie-“Stoffgarn” nicht leisten!

Oft genug hab ich eine Idee für einen Pullover, ein Tuch o.ä. Das will natürlich sofort umgesetzt werden. Also schau ich, was ich an geeigneter Wolle vorrätig habe. Reichen die Knäuel aus? Maschenprobe, rechnen, tüfteln. Das alles gehört dazu. Was kann ich kombinieren? So oder so oder ganz anders? So ein Projekt will reifen und langsam Gestalt annehmen - bevor es konkret wächst und entsteht. Das gehört alles dazu.

Ob ich nun eine Idee umsetzen oder eine Lösung für einen bestimmten Zweck (er-)finden will, der erste Gedanke ist immer: Was hab ich bereits, das ich dafür verwenden könnte? Kann ich etwas direkt verwenden? (Plastik-Pralinenschachteln geben prima Ordnungshelfer für Schubläden ab) Oder Vorhandenes modifizieren, kombinieren? Dieses Austüfteln, Rumprobieren gehört für mich zum “Basteln” essentiell dazu!

Immer wieder passiert es auch, dass beim Fertigungsprozess was ganz Anderes draus wird. Sei es, dass ich auf ein anderes Material umsteige. Oder dass ich ein Muster so lange variiere, bis aus dem Schal schließlich ein Pullover wird. Es bleibt bei mir praktisch immer spannend bis zum Schluss.

“Basteln” ist für mich mehr als nur Freizeitbeschäftigung. Es ist sehr befriedigend, aus “Abfall” etwas zu erschaffen. Ideen reifen zu lassen, umzusetzen und immer wieder selber ganz erstaunt darüber zu sein, was am Ende dabei herauskommt. Es ist ein kreativer, sinnlicher Prozess. Manchmal ist das Ergebnis unbrauchbar, auch das kommt vor. Aber selbst dann ist nicht alles nur Müll. Es ist sicher noch eine Menge “Rohstoff” vorhanden. Für ein anderes Re-Recycling-Projekt.

Bevor ihr für euer nächstes Kreativ-Projekt von A bis Z alles einkauft, guggt euch lieber erst einmal um, was ihr an brauchbaren Materialen bereits besitzt, die vielleicht nur ein bisschen modifiziert werden müssen. Es lohnt sich ganz bestimmt, selbst (oder erst recht) wenn das Ergebnis anders aussieht als ursprünglich gedacht. Probierts aus und denkt daran: Der Weg ist auch das Ziel - Kreativität ist ein Prozess und nicht (nur) ein vorzeigbares Endprodukt.

Einen lesenswerten Beitrag zu eben diesem Thema habe ich bei bananenmarmelade.de gefunden. Und wie ist das bei euch? Wie viel Recycling ist bei euren Bastel- und Handarbeiten mit drin?